Keplers erstes großes Werk wurde 1597 veröffentlicht und trug den Titel Mysterium cosmographicum (Geheimnis der Welt). Sein vollständiger Titel lautet: Prodromus dissertationum cosmographicarum, continens Mysterium cosmographicum de admirabili proportione orbium coelestium: deque causis coelorum numeri, magnitudinisy motuumque periodiconim genuinis et propriis, demonstratum per quinque regularia corpora Geometrica, was bedeutet: „Eine Einführung in die kosmographische Argumentation, die das kosmographische Mysterium der bewundernswerten Proportionen der himmlischen Sphären und die wahren Ursachen der Quantität, der Größe und der periodischen Bewegung des Himmels beschreibt, bewiesen durch fünf geometrische regelmäßige Körper“.

Dieses Buch war ein großer Erfolg, trotz seiner absurden Argumentation und seiner absurden Schlussfolgerungen. Warum war es so erfolgreich? Zunächst einmal, weil es wunderschön war. Heute, nach der langen Entwicklung der Astronomie und einem kritischen Rückblick auf die vergangenen Errungenschaften, erkennen wir, dass dieses Werk voller Absurditäten ist. Aber wenn wir Keplers Zeitgenossen gewesen wären, hätten wir uns der Macht seines Wortes nicht entziehen können – wie es auch seinen Kollegen ergangen ist. Die Arbeit spielte eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Astronomie, was bedeutet, dass manchmal irrtümliche Schritte zum Fortschritt führen.

Worin lag die Absurdität von Keplers Schlussfolgerungen? Konkret schlug er folgende Methode zur Berechnung der Entfernung eines Planeten zur Sonne vor:

„Die Erde [gemeint ist die Erdumlaufbahn] ist das Maß aller Bahnen. Um sie herum beschreiben wir ein Dodekaeder. Die Kugel, die das Dodekaeder umschreibt, ist die Marskugel. Um die Marskugel herum beschreiben wir ein Tetraeder. Die um das Tetraeder beschriebene Sphäre ist die Sphäre des Jupiters. Beschreiben wir einen Würfel um die Jupitersphäre, so ist die um den Würfel beschriebene Sphäre die Sphäre des Saturns. Die Kugel der Erde ist ein Ikosaeder. Die darin eingeschriebene Kugel ist die Sphäre der Venus. Setzen wir ein Oktaeder in die Sphäre der Venus. Die ihm eingeschriebene Sphäre ist die Sphäre des Merkurs.“

Mit anderen Worten: Die Umlaufbahn eines jeden Planeten ist eine Sphäre, die ein reguläres Polyeder beschreibt und ein anderes einschließt. Die Reihenfolge der Bahnen und der regelmäßigen geometrischen Körper ist wie folgt: Merkur, Oktaeder, Venus, Ikosaeder, Erde, Dodekaeder, Mars, Tetraeder, Jupiter, Würfel, Saturn.

Schon die alten Griechen stellten fest, dass es nur fünf regelmäßige Polyeder, die so genannten platonischen Körper, gibt, und sie sind alle in dieser Liste aufgeführt. Folglich, so berechnete Kepler, lassen sich nur sechs Sphären einschreiben und um sie herum beschreiben, die jeweils einen Planeten enthalten. Und das bedeutet, dass es nur sechs Planeten im Sonnensystem gibt.

Der Wissenschaftler kam zu dieser Schlussfolgerung auf eine ebenso geniale wie typisch mittelalterliche Weise. Kopernikus stellte die Sonne in den Mittelpunkt des Universums. Das bedeutet, dass die Sonne das Herz oder der König des Kosmos ist; sie erzeugt die Kraft, die alle Planeten um sie herum in Bewegung setzt. Die Sonne ist somit ein Symbol für das Göttliche, von ihr geht die Kraft aus, die die Planeten in Bewegung setzt. Mit zunehmender Entfernung wird dieser Einfluss schwächer, und die Planeten drehen sich langsamer, je weiter sie von der Sonne entfernt sind.

Außerdem glaubte Kepler, dass die Geometrie bereits vor der Existenz der Welt existierte und daher eine göttliche, vollkommene Natur besitzt. Der Mensch kann die Schönheit und Vollkommenheit der Geometrie nur verstehen, weil Gott ihn nach seinem Ebenbild geschaffen und ihm einen Verstand gegeben hat, der in der Lage ist, den göttlichen Entwurf zu bewundern und zu verstehen. Wenn der Mensch die Welt verstehen will, muss er sich fragen, welche Schöpfung seines Geistes er zum Gemeingut machen will. Und diese Schöpfung, die von allen Menschen gesehen werden kann, muss vollkommen schön sein. Eine solche Schöpfung kann natürlich nur der Kosmos sein, nur der Sternenhimmel, der für Könige und Hüttenbewohner gleichermaßen schön ist.